Der Süden

Öland ist der Teil von Schweden, der auf der Wetterübersicht auf der Rückseite im Aftonblad immer wärmer und sonniger war, als der Ort, an dem ich gerade war. Aber auch der Ort wo die meisten Touristen sind.
Entsprechend stellen wir uns eine touristisch überladene zugebaute Insel vor. Obwohl ich seit knapp einem halben Jahrhundert ganz Schweden bereist habe, war diese Region nie darunter.
Umso erstaunter sind wir beide, als wir eine Insel vorfinden, die überhaupt nicht zugebaut ist. Sie sieht aus, als wäre sie noch immer so, wie sie in den 80ern gewesen sein könnte.


Der Süden

Wir fahren zuerst in den Süden der Insel und finden einen wilden Feldweg entlang der Küste, wo wir direkt am Meer stehen. Die südlichste Spitze sieht aus wie die Hamburger Hallig bei uns zuhause. Wir fahren auf einer Fahrspur über die Kuhweiden, auf denen Rinder zwischen den Autos herumwandern. An der Spitze ist der höchste Leuchtturm Schwedens zu bestaunen. Für unsere bisherigen Leuchttürme ist er recht klein. Schweden hat wohl keine so hohen Leuchttürme wie Deuschtland, Dänemark, Frankreich…


Auf der flachen Landsppitze wirkt es als könne das Meer von rechts nach links einfach hinüberschießen und doch gibt es hier zwei uralte Hütten. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie das Leben hier im Winter sein müßte.
Bis hier runter laufen Wander und Fahrradwege, die die gesamte Insel durchziehen und meisten abseits der Straßen verlaufen. Absolut empfehlenswert. Unterwegs gibt es immer Lagerstätten, zum frei zelten oder Feuermachen.

Das Inland der Südinsel wird von Alvar, einem riesigen Naturschutzgebiet und Weltnaturerbe eingenommen. Es ist eine karge Landschaft, die ein bisschen wie Heide, ein bisschen wie Buschland ein bisschen wie Moor aussieht. Hier kann man toll wandern. Diese Landschaft, die durch Rodungen und Beweidung entstanden ist, die bis auf den felsigen Grund fast alles ausgedört hat, so dass jetzt eine einzigartige Landschaft entstanden ist, sie wird auf einem Schild beschrieben, als die zugleich hässlichste wie auch schönste Landschaft Schwedens. Beides würde ich so nicht unterschreiben. Aber interessant.
Lange Steinmauern durchziehen sie. Die Südspitze ist sogar durch eine Steinmauer abgetrennt, weil der damalig Fürst Wild eingeführt hatte, um es zu bejagen. Diese aber fraßen die Ernte seiner Bauern. Deshalb baute er diese Mauer, die sie natürlich übersprangen.


Es gab einmal 2000 kleine Windmühlen auf der Insel. Davon exisitieren heute laut unterschiedlichen Schildern noch 300, 350 oder 400. Der Tourismusverband sollte sich mal festlegen. Egal wieviele. Sie stehen überall. In Gruppen oder einzeln. Sind wirklich schön und meistens erhalten. Wir malen uns aus, wie ein Tischler den Auftrag hat, alle Mühlen zu erhalten. In eine der Mühlen kann man sogar hinein.


Die Eisenzeitliche Burg, die im Süden rekonstruiert wurde, hätten wir uns gerne angeschaut. Da wir aber nicht im Urlaub sind, sondern auf einer langen Reise, sind uns 10€ Eintritt zuviel und wir machen nur ein Bild aus der Ferne.


Ansonsten ist der Süden ein Paradies für Vogelbeobachter und es gibt einen Hof, der als Naturbuchhandlung ausgezeichnet ist aber der wohl nerdigste Laden ist, den ich nach Comicbuchhandlungen je betreten habe. Alles für und um Vögel. Das Beste ist ein riesiges Fenster an dem man eine Unmenge von Feldstechern und Ferngläsern ausprobieren kann.
Und der Laden ist sehr gut besucht. Zu meiner Überraschung nicht nur von alten Männern.
Und mir fällt wieder ein, wie ich früher selbst vogelkundliche Wanderungen um 3-5 Uhr Morgens angeführt habe. Diese Zeit ist weit hinter mir, aber wenn ich mir die Besucherinnen hier anschaue, war es vielleicht doch nicht so nerdig?


Der nördliche Teil der Insel…

ist zwar bewohnter aber nicht weniger interessant. Er ist viel länger und wir fahren 90 km nach Norden vorbei an noch viel mehr Mühlen und Grabfeldern, Dörfern und kleinen Häfen. Es ist alles noch immer recht klein. Die freistehenden Überreste, einer alten Kirchenmauer an einem kleinen Hafen mit einem winzigen Wall um ein Kreuz, der früher ein wichtiger Handelsplatz für den Marktfrieden war, ist nicht größer als ein Bakestballfeld und auch heute noch nur von Fischerhütten umgeben.



Weiter nördlich treffen wir auf die große Bundesstraße und zu dem Strand, der in Schweden so berühmt ist. Eine kilometerlange Bucht mit feinem Sandstrandstrand zieht hunderte Besucher an und ist … nicht zugebaut! Wir können es kaum glauben. Zwar gibt es am Beginn einen Campingplatz mit einem Parkplatz für tausende Autos, aber schon einen Kilometer weiter gibt es eine weitere Straße durch den Wald, wo das Parken umsonst ist, wo nur noch hunderte statt tausende Menschen sind. Noch weiter nördlich sind wir sogar nur zu zehnt am Strand, der hier ein bisschen wilder wird. Von hier aus fährt ein kleiner Zug, der früher Holzstämme ins Sägewerk transportierte, durch den Wald nördlich zu unserem nächsten Ziel.


Der Trollwald


Am Natureum beginnen wir die lange Wanderung um die rechte Spitze der Insel.
Wir besuchen ein Wrack eines Dreimasters, der 1920 hier sank und irgendwann angespült wurde, wir wandern entlang von Stränden auf denen Kuhweiden ziehen zu der uralten Eiche, die seit 900 Jahren nicht sehr hoch gewachsen ist, das der Boden zu karg ist, aber immer eine Landmarke für die Schiffe war. Heute ist die Nordspitze komplett bewaldet und sie steht daher mitten im Wald.


Die Gegend war in der Eisenzeit ein heiliger Ort und durfte nördlich der Mauer (eine weitere) nicht betreten werden. Deshalb gibt es hier Unmengen von Grabhügeln, die dereinst unbewaldet einen weiten Blick boten. Später dann war diese Spitze durchzogen von Befestigungen und Kriegsgräben, weil sie eine wichtige Position im Kampf zB zwischen den Dänen und Gotland einnahm.
Hier gibt es auch einen Wald der verwirrten Kiefern, die scheinbar ständig die Orientierung verloren haben und in Windungen mal nach oben, dann wieder richtung Boden und wieder nach oben wachsen, so dass sie dutzende Schleifen, Kurven und Biegungen machen.



Auf dem Weg zurück führt die Wanderung über herrliche grüne Wiesen, die direkt an der stillen Bucht entlang führen, die sich wie ein Becken in der nördlichen Spitze der Insel befindet.



Auf der anderen Seite sieht man bereits den zweiten Leuchtturm Ölands, der die Nordspitze bewacht und den wir als nächstes besuchen.
Auch die Strecke dorthin ist erstaunlich unbebaut und der Turm selbst liegt auf einer kleinen Insel, die zu Fuß erreicht werden kann, in der Mündung der Bucht. Hier ist ein kleines Dorf entstanden, als der Leuchtturmwärter einen Gehilfen bekam, eine Wäscherei, eine Bäckerei, eine Schule, einen Lehrer… Alles ist beschaulich und an der Steinküste direkt hinter dem Leuchtturm, türmen die Touristen ihre Steintürmchen auf.

Wir fahren um die Nordspitze der Insel wieder zurück nach Süden. Diesesmal entlang der Westküste. Umrunden also Öland gegen den Uhrzeigersinn.
Wir stoßen auf den kleinen Ort Byxelkrok, der beschrieben wurde mit „lebendige Promenade“ und sind positiv erstaunt hier keine hochtouristische Flaniermeile mit Hotels vorzufinden, sondern tatsächlich einen kleinen Fähr- und Fischereihafen mit vielen alten Fischerhütten, die jetzt Restaurants und kleine Boutiken enthalten, aber alles nicht größer als ein Fußballplatz und daher wunderbar beschaulich. So wie oft gesucht aber lange nicht mehr gefunden. Leider können wir nicht so eintauchen wie gewünscht, denn die Beharrlichkeit mit der die Schweden, trotz der vielen Toten, Corona einfach wegdenken und keine Abstände einhalten, keine Masken tragen (selbst das Personal an Corona Teststationen), lässt es bei gesundem Menschenverstand nicht zu.



Hinter dem Ort fahren wir hinaus auf unbefestigen Wegen viele Kilomter die Küste entlang. 7 km davon sind Naturschutzgebiet und hier ist das stehen nicht erlaubt, woran wir uns natürlich halten. Erfreulicherweise auch alle anderen. Danach beginnt ein Abschnitt, an dem einige Vans stehen und wir schlafen an einer leeren Bucht, an der man stehen kann und genießen die Küste aus Felsplatten und einem Sonnenuntergang in ganz besonderen Farben.



Den nächsten Tag fahren wir in die Hauptstadt der Insel, die dafür auch recht klein ist und besuchen die Sommerresidenzen der Königsfamilie. Allerdings werden hier einfach freche Preise aufgerufen (1 € für die Toilette /12 € für einen Park). Also genießen wir die urtypisch schwedische Athmosphäre um die Cafes und Freilichtbühne und wollen gerade von dort einen Schritt in das anschließende Naturschutzgebiet setzen, als sich eine Blindschleiche knapp unter Utes Fuss hervorschlängelt.



Wir verlassen heute die Insel und schlafen auf dem Weg nach Jönköping an einem wunderschönen kleine See an dem wir endlich baden gehen können. Ab jetzt geht’s nach Norden.