Wir verbringen insgesamt 4 Tage in Istanbul.

Sonntags fahren alle Türken nicht nur raus zum Picknicken, sondern auch rein in die Caféviertel und da unser Parkplatz für die nächsten Tage genau dort liegt im asiatischen Teil der Stadt, stehen wir erst einmal 2 Stunden verkeilt in einer sich langsam vorwärts bewegenden ewigen Schlange von Autos, aus der sich ab und zu ein paar Wagen lösen, um ganz vorne wieder rein zu drücken. Fühlt sich also an wie zuhause in Hamburg. Nur dass wir uns hier nicht aufregen. Uns tut nur die Straßenbahn leid, der sofort wieder die Schiene blockiert wird, wenn ein Wagen endlich weit genug vorgefahren ist. Die Fahrerin hat eine erstaunliche Gelassenheit. Unsere Freunde sind seit Stunden da. Der Stadtteil ist brechend voll und Abstand nicht möglich. Wir schlendern ein wenig abseits. Ist ganz nett aber zu voll. Wäre kein Corona wär es trotzdem geil. Aber auch so finden wir in einem Eisladen eine ziemlich geile Pizza, der BIM Verkäufer empfiehlt uns eine Schokolade und ist überzeugt, dass wir uns dadurch immer an ihn erinnern werden, wir schauen tanzenden Türken zu und versuchen durch das Fahrkartensystem durchzusteigen, was absolut misslingt. Man ist nicht sehr auskunftsfreudig auch nicht im Informationsbüro. Die Fähren sind so brechend voll, dass wir beschließen morgen nach Europa rüber zu fahren. Von hier aus erreicht man alle Stadtteile besser, als wenn wir drüben parken würden. Also streicheln wir noch die Katzen und Hunde auf dieser Seite. Schon hier fällt auf: Istanbul hat die fettesten Straßenhunde, die wir gesehen haben. Sie schlafen im Futter und haben im Verhältnis zur Körpermasse winzige Köpfe. Man sorgt sich hier um die vierbeinigen Mitbewohner, mehr als um die Jungs die in den Straßen Papier und Plastik sammeln, so scheint es.

Am nächsten Tag geht‘s rüber nach Europa. Wir fahren mit der Fähre und steigen in Karaköy aus. Wir verstehen, dass Istanbul nicht nur aus Ost und West, sondern im Westen auch noch durch einen Fluss getrennt aus Nord und Süd besteht. Der Süden ist dabei der kleine Teil, der touristisch am bekanntesten ist, nämlich der Ort mit dem Bazar, der Hagia Sophia und der blauen Moschee. Wir legen auf der Nordseite an und laufen über for Brücke nach Süden nach Eminönü. Die Brücke ist so vollgestopft mit Anglern, dass es keine Möglichkeit gibt sich dem Geländer zu nähern. An ewig langen Seilen mit bis zu 20 Haken werden sekündlich hunderte Minifische aus dem Wasser gezogen und zum ersticken in Eimern, Plastiktüten oder auf dem Boden fallen gelassen. Bei den Mengen jeden Tag ist es ein Rätsel, wieviel Fische es noch geben kann und besonders, ob man nicht einen Hauch mehr Mitgefühl zeigen kann und die Tiere schneller erlösen könnte. Von hieraus geht s weiter über den Gewürzbazar, Zum Glück ist noch nicht soviel los und wir können dem „überall auf deutsch angequatscht werden“ recht gut entgehen. Wir beschließen erst zum großen Bazar zu gehen, vor dem uns ehrlich gesagt etwas grault, wir fürchten endlose Diskussionen mit Händlern. Tatsächlich ist diese Befürchtung im Bazar selbst nicht so schlimm wie in den Straßen außen rum. Dafür überwältigt uns die Architektur. Das war besser als erwartet und verändert sich von Gang zu Gang. Man sieht ältere und neuere Bauteile. Mal kleine Gänge, Ornamente, Brunnen. Wir irren im Kreis und sind tatsächlich begeistert. Noch sind relativ wenige Menschen da und wir können lachend mit einem Teppichhändler darüber feixen, dass wir in einem Auto wohnen und darin wirklich kein Platz ist für einen Teppich, nein auch nicht an der Wand. Nach 10 Minuten kommen wir an einem Mann vorbei der fragt: „Second chance? Maybe now a carpet for your car?“ Wir lachen. Waren wir hier schon? Wir kommen hier nie wieder raus!
Es ist 11 Uhr und – als hätte man die Schleusen eines Staudammes geöffnet kommen Reisegruppen in den Markt geflutet. Wir machen es wie die Lachse und schwimmen den Ausgang entgegen.

Wir treffen unsere Freunde, die mit dem Wagen auf die europäische Seite gewechselt sind, da Haustiere auf der Fähre nur im Käfig transportiert werden. Wir teilen uns den Hund, damit jeder mal als Pärchen in die Hagia Sophia oder blaue Moschee kann, die leider gerade noch im Bau ist. Während die Hagia Sophia von außen wirklich unspektakulär daher kommt ist sie von innen wirklich bombastisch. Ich hatte mir mehr Räume erwartet aber auch so verstehen wir den Hype. Da muss man halt mal durch die Menschenmengen durch, die sich hier sehr viel zivilisierter beim Anstehen und reingehen verhalten als zum Beispiel in Hamburg. Egal wie eng, wir wurden nie geschoben, wie zuhause zum Beispiel beim Besteigen eines vollen Bootes. Das macht dann auch Orte mit vielen Menschen viel angenehmer. Den Sultanpalast schenken wir uns heute. Der Eintritt ist zu teuer, dafür dass wir nicht in Urlaub sind. Man muss ja auch noch was für s nächste Mal haben. Dann heißt es Abschied nehmen von unseren Freunden, die morgen weiter fahren.

Wir haben dagegen noch nicht genug und um auf unsere 21 km und 27.000 Schritte am Abend zu kommen machen wir uns auf den Weg über die Brücke nach Norden, durch Karaköy in Richtung Beşiktaş.

Wir laufen durch Istanbul nach Norden. Immer mal wieder hässlich und dann wieder schön. Kurzer Ausflug zum Taksim Platz. Wegen der Bedeutung. Das war aber eher ernüchternd, nach dem krassen Aufstieg. Von hieraus geht es am Stadion vorbei ins Ausgehviertel Beşiktaş. Ziemlich nett aber ziemlich voll und hier kann man sich hundertpro ne Portion Corona holen bei der Dichte und der Inszidenz. Das trübt ein wenig die Freude. Da wo s nicht allzu eng ist gehen wir rein. Unsere Füße geben die unmissverständliche Anweisung zum Pitstop und wir essen wieder in einem dieser tollen Läden, die wir als Hausmannskost bezeichnen und die ziemlich günstig geile Sachen anbieten auf die wir deuten, ohne zu wissen was es ist. Verdammt: Leber. Mal gewinnt man, mal verliert man. Nach fast 11 Stunden tun uns inzwischen die Füße weh. 21 km sind doch n bisschen viel und so nehmen wir die Fähre zurück nach Kadıköy und fallen ins Bett. Was für ein Tag!

Am dritten Tag packen wir zwei große Rucksäcke und schleppen unsere Wäsche zum Waschsalon, weil wir heute weiter fahren wollen, doch leider hat der heute zu und so entscheiden wir uns spontan, in einem Café zu frühstücken, in dem gestern einfach kein Platz war. Nennt uns Prinzessinen, aber es gab dort eine Treppe auf einen kleinen Balkon, über dem Tresen mit genau einem Tisch. Ein wenig stolz sitzen wir dort im komplett leeren Café. Eine Katze stolziert ins Kaffee und belegt Couch Nummer zwei.
Danach geht s doch noch einmal nach Europa. Wir besuchen die Nuruosmaniye-Moschee und entdecken den alten Friedhof mit vielen Sarkophagen von Paschas und Sultanen. Paschas, so sagt Wikipedia waren Militärränge, Sultane sowas wie Kaiser oder Könige bis die Türkei den Titel in den Zwanzigern abgeschafft hat.
Man lernt am besten wenn man sich Fragen stellt und sowas passiert viel öfter beim Reisen, wenn man sich plötzlich etwas fragt, das vorher nur graue Theorie war.
Dann müssen wir noch einmal durch den großen Bazar, um zur Brücke zurück zu kehren und dabei entdecken wir viele weitere Ecken. Unter anderem Innenhöfe, die mich zuhause an die rote Straße in Flensburg erinnern.
Auf dem Weg zur Brücke müssen wir durch etliche Händlerviertel, die teils thematisch sortiert sind. Erst die Druckknopfstrasse, dann Bänder- und Seilstrasse, Gürtelstrasse und so weiter.
Da bietet sich die Gelegenheit, ein paar Accessoires zu kaufen, die wir eh noch suchten, wie zB eine faltbare Lesebrille (keine Kommentare!)
Leider kennt man in der Türkei keine Gürtel mit Koppelschlössern und Bänder zum Knüpfen gibt s nur ab 1mm aber sonst sind wir sehr zufrieden bis wir plötzlich in der Menge festklemmen. Ein postcoronales Gefühl, wo wir jetzt einfach durch müssen. Dabei landen wir immer wieder in gastronomischen Hinterhöfen, wo „Muttis“ auf Podesten am Boden sitzen und Teig für Gözleme ausrollen.
Dann schlendern wir über die andere Uferseite. Dann gehts zurück nach Asien.



Am nächsten Tag gehts dann doch noch zum Waschen und die Dame kriegt meine ruinierte Jacke sauber, während wir mit einer schwäbischen Türkin babbeln. Gegen späten Nachmittag fahren wir dann endlich auf über die Brücke nach Europa. Ab jetzt sind wir endlich auch wieder versichert. Denn eine Anfrage bei unserem Versicherer dauerte so lange, dass wir erst kurz vor Istanbul erfuhren, dass wir doch nicht in Asien versichert sind auch wenn es in der grünen Versicherungskarte eingetragen ist.

Ein Stopp in einer Citroen Werkstatt, sollte eigentlich ein „kurz mal Türen einstellen“ werden, aber noch Tag warten war nicht drin und so verließen wir Istanbul in Richtung Bulgarien.

Aber ganz sicher wird das nicht der letzte Besuch gewesen sein. Wir würden uns so gerne ohne Gedanken an eine Pandemie in die Menge schmeißen und jetzt wo man soviel verstanden und verortet hat, da kann man so eine Stadt auch noch ein bisschen besser genießen.

Güle, güle Istanbul.