Werbung ohne Auftrag ( muss man wohl schreiben, auch wenn wir gar nicht werben für die Tallinncard sondern was wir damit gemacht haben, sieht das Gesetz das glaube ich vor, sobald man irgendetwas erwähnt, was andere daraufhin animieren könnte sie zu kaufen)



Museen, Zoo, Fensehturm, Stadtmauern, Bastionsgänge, Gefängnisse, KGB Verhörräume, Folterkammern, Flugboote, Erfindungen, Kunst, Fotografie, Design..
Wir ziehen uns alles rein. Mit der Tallinn Card alles kostenlos. Nach mehreren Jahren coronabedingt ohne Kultur, sind wir – die nach 3 Monaten aus der Natur gekrochen kommen – ganz heiß auf was anderes.

Zugegebener Maßen, sind die Museen im Originalpreis zumeist deutlich überteuert. Mit der Karte aber ist es ein großer Spaß, mit den kostenlosen Straßenbahnen und Bussen durch die Stadt zu düsen und so viel wie möglich zu sehen. (Zur info: Man hört immer wieder, dass Tallinn einen kostenlosen Nahverkehr hat, das gilt allerdings nur für die Einwohner)

Nachdem wir zuerst in Ruhe die Altstadt angeschaut hatten geht es los.


Wir kaufen das 48 Stundenticket und beginnen um 15.30 und besuchen heute als erstes das Design Museum und danach noch das Kunstmuseum KUMU.

Designmuseum

Das Designmuseum hat uns nicht so von den Socken gehauen. Es ist über drei Etagen angelegt und hat ganz viel Glaskunst, Teppiche und Schmuck. Für uns interessant war eher der Teil mit Möbeln und Gegenständen. Der kam allerdings erst im dritten Stock und war für meinen Geschmack zu kurz geraten. Aber das ist natürlich eine Sache der Präferenzen. Mit 8€ Eintritt, wäre der Preis hier noch einigermaßen moderat im Vergleich zu anderen Museen.


Kunstmuseum KUMU

Mit der Straßenbahn fahren wir hinaus und laufen am Schloss vorbei um ins KUMU zu gehen. Das Museum ist ein sehr moderner Bau, der durch einen riesigen Schlitz in zwei Teile geschnitten ist.
Trotz vieler Lagepläne ist das Museum am Ende so unübersichtlich gewesen, dass wir nach mehreren Stunden eine halbe Stunde vor Ende erst den großen Sonderausstellungssaal im Erdgeschoss gefunden hatten und schlimmer noch: Uns wurde erst 15 Min vorm Schließen klar, dass auf der anderen Seite des Museums (jenseits des großen Schlitzes, der das Treppenhaus beherbergt) noch eine Ausstellung über 2 Etagen beherbergt wurde, die eher moderne Kunst beinhaltete, was wir eigentlich gesucht hatten.
Die elypsenförmige Aufteilung des Museums wurde gut genutzt. Immer wieder steht man vor riesigen Wänden mit wild gemischten Portraits und in einer andern Spitze der Elypse eine riesige Menge an Büsten, die sich über 3 Etagen an der Wand nach oben zieht. Finde den Pinguin!
Zur Zeit gab es in der dritten Etage eine Technoausstellung, wo wir in einer Videoinstallation eine halbe Stunden auf Menschen starrten, die in die Kamera starrten.

Gefängnis

Den nächsten Morgen ist es wie erwartet sehr stürmisch. Wir wandern am Hafen und der entstehenden Hafencity entlang zu den alten Gefängnistrakten. Es ist bedrückend durch die Zellen zu streifen, Geschichten zu lesen, mal von Hitlers Gefangenen, mal von den Gefangenen der KPD, die teilweise nie wieder kamen. Es gibt Einzel- und Massenzellen, Waschräume und Verhörzimmer. Ursprünglich war das hier ein Lost Place, bevor er zum Museum aufgearbeitet wurde.
Das Gefängnis ist nicht zu verwechseln mit den Verhörzellen des KGB in der Altstadt.

Seaplane Museum


Das Seaplane Museum heißt so, weil es der eigentliche Hangar für Wasserflugzeuge war, mit denen Estland im Krieg Schlachten geschlagen hat. Das beeindruckendste ist aber bereits die Halle. Es ist eine riesige dreikuppelige freitragende Betonhalle von enormer Höhe, die genial ausgeleuchtet ist und in der man auf Wegen unter der Decke und unten am Boden durch eine gigantische Halle und allerhand interaktiven Spielen geführt wird. Man kann sich selbst in Uniformen fotografieren, kann an mehreren Stellen mit VR Brillen den Bau miterleben, kann ferngesteuerte Schiffe lenken, kann in Wasserflugzeugen fliegen und versuchen sie auf dem Bildschirm heil zu landen, man kann sich in ein Rettungsboot setzen und durch den Fjord aufs Meer hinausjagen, um einen Verunglückten in der vorgegebenen Zeit zu retten, man kann seine Hand zerquetschen lassen, indem man sie zwischen zwei Gummikugeln hält über der einen Wassersäule angebracht ist und bei der man selbst den Wasserstand erhöhen kann, um Unterwasserdruck zu erhöhen… und und und …
Kurzum es ist das interessanteste maritime Museum, das ich je gesehen habe und ich musste in viele solche Museen, die zumeist nur aus toten Gegenständen bestanden. Die gibt es hier natürlich auch. Der größte Gegenstand ist ein riesiges Uboot, dass die gesamte Halle einnimmt und, das man komplett erkunden kann.
Es gibt auch ein kleines Uboot, das per Hand angetrieben wurde und nur die Luft in dem Torpedogroßen Rohr hatte, die eben drin war.
Wem das alles noch nicht genug ist, der kann um das Haus herum draußen eines der ersten Holzuboote sehen und den riesigen Eisbrecher im Hafen erkunden. Außerdem stehen an Land aufgebockt noch etliche Schiffe der Marine zum Erkunden. Also wenn ein maritimes Museum, dann das hier! Klare Empfehlung, auch für den von 15 bzw 22 Euro, wobei die Halle das wichtigste ist, wenn das Geld knapp sein sollte.


Proton Erfindermuseum (VR Museum)


Auf das Proton hatten wir uns am meisten gefreut. Wurde doch beschrieben, dass es hier um Erfindungen geht, die gemacht wurden und erfolgreich oder unerfolgreich waren.
Diesen Punkt müssen wir leider verneinen. Das haben wir so nur als Argumentationsgerüst wahrgenommen, für die einzelenen Attraktionen. ABER: Wir würden das Museum als ein VR Museum bezeichen in schönen Steampunk- oder Jules Vernesumgebungen.
Gleich wenn du rein kommst bekommst du eine Brille auf und baust irgendwelche Erfindungen zusammen. Gleich danach baust du an einem virtuellen VR-Fließband mit deiner Begleitung Lampen zusammen, was ein Höllenspaß ist, sowohl beim Zuschauen als auch beim Spielen. Dann kommen allerlei Spielsachen wie „Lichtschreiben“, Elektrizitätsspiele usw. Dann geht es eine Etage tiefer und hier stehen die schönen Apparaturen, die schon an sich sehr toll aussehen. Hier kannst du mit einem Uboot durch eine Unterwasserwelt fahren, Banditen in einem Wagon jagen, mit einem Fliegefahrrad Post austeilen, mit einem Bobschlitten durch Landschaften brausen, mit einem Ballon fliehen, mit einer Postkutsche ohne Pferde durch die Landschaft jagen und so vieles mehr. Das ganze ist ein riesiger Spielplatz. Uns wurde irgendwann bei den Bobfahrten übel, das hätten wir nicht erwartet, aber es ist nun mal so. Die Kinder waren davon natürlich vollkommen unbeeindruckt. Wir haben stattdessen etwas in dem recht günstigen Restaurant gegessen. Wenn es auch nicht ganz günstig ist, mit Kindern ist das sicher unvergesslich. Für Erwachsene auch und wenn s in der Karte drin ist, kann man es auf jeden Fall mitnehmen aber mindestens 3 Stunden einplanen!

Fotografiska Tallinn

Das Fotografiska ist ein Ableger des Stockholmer Museums und liegt mitten im Kunstviertel, den alten Lagerschuppen von Tallinn. Das Museum beherbergte zu unserem Besuch ziemlich gute Bilder. Tatsächlich empfanden wir beide aber die Ausstellung für den Preis als viel zu klein. Mit nur zwei relativ kleinen Ausstellungsräumen für einen recht hohen Eintrittspreis, waren die zugegebenermaßen hochwerigen Bilder auch für mich als Fotografen einfach zu wenig. Dafür hat das Museum aber am längsten auf, wenn man mit der Tallinncard noch abends etwas unternehmen will. 12 Euro Eintritt erscheint uns viel zu hoch. Dennoch, als Fotografiefan, der auch bedeutende internationale Ausstellungen sehen möchte, bist du hier sicher richtig und mit der Tallinncard, kann man das sicher machen.

Telliskivi Viertel

Das Viertel ist sozusagen Tallinns Schanzenviertel. Allerdings sollte man auch nicht zu viel erwarten. Es kommt eher angepasst daher. In den alten Lagerhallen ist nichts gewachsen, wie in anderen Städten, aber es gibt einen lebendige Ausstellungs- und besonders Gastrokultur, sowie Dikotheken, Bars und ein wenig Streetart bzw Graphiti. Hier liegt auch die große Markthalle mit ihren ganz nett gestalteten Innen- und Außenbereich und viel Gastro. Alles sehr hipp. Manchmal ein wenig zu hipp. Aber das kennen wir ja auch anderswo.
Interessant war auch, dass westlich von hier sogar noch richtige Holzhausviertel zu finden sind.

Bastionsgänge

Die Bastionsgänge sind Tunnel, die sich unter den Außenmauern der Stadt entlang zogen und den Soldaten die Möglichkeit gaben unterirdisch die Positionen zu wechseln. Im kalten Krieg wurde ein großer Teil als Atombunker genutzt und das wird im ganzen ersten Teil auch präsentiert. Hier sind die Gänge mit Beton ausgegossen.
Weiter hinten kommt man in die echten Gänge, die teils erst 2012 vom Wasser befreit wurden. Damit wurden sie zugänglich und hier werden viele alte Steinreliefe aus der Stadt ausgestellt, die sehr oft auf Deutsch beschriftet sind, da Tallinn zwar nicht deutsch war, aber es gab eine Elite, die hier wohnte und deren Sprache und Herkunft war Deutsch.
Ganz am Ende sieht man (ungewollt), wie bereits Tropfsteine in den trockengelegten Gängen entstehen.
Die Bastionsgänge sind ein Teil der Kiek in de Kök und der Bastionsmauern und können so weit wir verstanden haben auch einzeln besichtigt werden. Achtung es ist kalt da unten.

Kiek in de Kök

Wir wollten aus Zeitmangel diese nie enden wollende Ausstellungsräume über den Bastionsgängen gar nicht anschauen, sondern nur einmal einen Blick auf die Mauern werfen. Aber es gab überall so viel zu sehen und wir lernten die Lübecker Gesetze kennen, bei denen Tiere verurteilt werden konnten und die hier galten. Wurde ein Bauer der Sodomie bezichtigt wurde auch das Tier angeklagt und tatsächlich in Kleidung gesteckt, um vor Gericht zu erscheinen. Dunkel habe ich das Gefühl sowas schon mal gehört zu haben, aber sehr sehr dunkel. Immer wieder spannend, was man im Ausland über sein Land lernt.
Es gibt hier drei Türme in die man vordringen kann und irgendwann fanden wir auch das richtige Cafe, das Ute gesucht hatte (aber leider geschlossen hatte). Das Muesum ist nicht günstig aber sehr umfassend und man kann sich eine ziemlich lange Zeit herumtreiben, wobei alles sehr abwechslungsreich ist.


Modern Art

Das Museum ist winzig. Wir reden hier von einer Etage mit vier (?) Räumen. Obwohl mich die Thematik sehr interessierte, waren wir schnell durch und haben wirklich alles angeschaut. Es ist tatsächlich sehr videolastig. Mich hat es nicht vom Hocker gerissen und hätte ich Eintritt gezahlt… hätte ich mich geärgert. Ohne Eintritt und mit Zeit… warum nicht?

Fernsehturm

Der Fernsehturm ist vielleicht mal hässlich. Aber welcher ist es nicht. Der Preis für den Fahrstuhl nach oben ist gelinde gesagt „frech“. Oder wie sollte man 13 Euro bezeichen. Oben gibt s zwar eine Art Ausstellung, aber eigentlich ist es eher eine leer Fläche und ein Restaurant. Man kann hier auch raus gehen auf einen Balkon. Da es uns fast die Bein weggersissen hat in dem Sturm, sind wir gleich wieder rein.
Die Geschichte und Höhe ist natürlich beeindruckend aber leider stellt man dadurch auch fest, wie hässlich Tallinn in Wirklichkeit außen um die Altstadt ist. Wir hatten aber auch bescheidenes Wetter.
Ein Highlite sind die Glasboden Löcher im Fußboden, die man auf Knopfdruck durchsichtig schalten kann. Der Turm liegt ziemlich weit draußen und man muss sich genau überlegen, ob man die Zeit für Fahrt und Besuch nicht woanders besser nutzen kann, aber wer natürlich auf Höhe und Weitblick steht, ist hier sicher richtig.

Zoo

Ist mit drin, liegt auf dem Weg raus aus der Stadt, nehmen wir mit.
Zoos sind ja immer so ein Problem, östliche oder fernöstliche Zoos noch mehr. In den Bewertungen vorab lasen wir, dass es hier beides gibt. Und tatsächlich gibt es riesige Gehege für Eisbären, Elefanten und andere Tiere. Aber es gibt auch immer noch die Betonkäfige. Wenige aber es gibt sie noch.
Man arbeitet hart daran sie zu ändern.
Was wirklich weh tat, für jemanden, der diese majestetischen Tiere in Freiheit gesehen hat, sind die winzigen Käfige in denen riesige Adler sitzen, die kaum die Flügel ausbreiten können. Das zerreißt das Herz und ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner dieser Vögel in irgendeinen Zoo gehört, denn egal wie, es ist nie groß genug. Kurz spielte ich mit dem Gedanken sie alle zu befreien, aber sie werden es wohl kaum weit schaffen.
Ich denke der Zoo in Tallinn würde am besten daran tun, diese Tiere abzuschaffen und sich auf die zu konzentrieren, die man gut halten kann.
Es würde den Besuchern wahrscheinlich gar nicht auffallen.
Eine besondere Situation hatten wir hier mit einem älteren Herren und Wissenschaftler, der uns an dem Gehege des Schneeleoparden ganz viel über seinen Leoparden erzählte, was für riesige Gebiete sie haben, wie sie ihn aus Finnland hierher geholt haben und warum man ihn auch im Zoo nur bei Regen sieht.
Kleiner Tipp: Wer mit Google zum Zoo fährt, kommt an einem winzigen komplett überfüllten Parkplatz an, der kaum Autos aufnehmen kann, so dass wir beim Einkaufszentrum parken mussten, aber inzwischen haben wir festgestellt, dass das der Nebeneingang ist!

Nach drei Tagen Museen sind wir gesättigt und glücklich. Tallinn bietet auch hier eine Menge.